Dialogprozess

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Entwicklung dialogischer Intelligenz

Der Dialogprozess nach David Bohm, Martin Buber und anderen

Inhalte:

  • Erinnerung an die Kernfähigkeiten und Rahmenbedingungen eines gelungenen Dialogprozesses
  • Weiterentwicklung der Kernkompetenzen wie Wahrnehmen und Suspendieren, generatives Zuhören, von Herzen sprechen, Verlangsamen
  • Entwicklung einer „personal mastery“ – den Dialogprozess und sich selbst besser kennen lernen

Leitung: Frau Gertraud Neumann-Ilsen (Dialogprozess-Begleiterin)

Termin: Samstag, 09. September 2017

Zeit: 10:00 – 17:00 Uhr

Ort: EineWeltHaus München – Nähe Hauptbahnhof
Schwanthalerstr. 80
80336 München
Raum 211/212

EineWeltHaus Cafe – Getränke und schmackhafte Gerichte

Kosten: 45,00 €

Zusammenfassung des Tages von Julia Ott:

„Wenn ihr glaubt, ich hätte etwas Tiefsinniges enthüllt, bitte ich um Verzeihung; falls Ihr glaubt, dies sei eine Menge Unsinn, erfreut Euch daran!“  Drukpa Künleg

Mit diesem Zitat beendet Frau Gertraud Neumann-Ilsen den zweiten Workshop zum Dialogprozess beim Netzwerk GFK München e.V. am 09.09.2017.

Der Dialogprozess nach David Bohm und Martin Buber ist definitiv eine tiefsinnige Methode um in einen echten Dia-log zu treten. Martin Buber ist der Meinung, dass „viele Be-gegnungen Ver-gegungen sind“. Hier und in einigen Bestandteilen des Dialogprozesses erkenne ich Ähnlichkeiten mit der Gewaltfreien Kommunikation und erinnere mich an Marshall Rosenbergs Worte: „Die Qualität der Verbindung ist das Ziel“. Für Gertraud Neumann-Ilsen ist der Dialogprozess ihr Beitrag, auf der Welt etwas zu verändern. Vielleicht war es auch das, was Isolde Teschner so an dem Dialogprozess begeisterte. Dank ihrer Begeisterung hatten wir bereits im September 2016, gemeinsam mit ihr, den ersten Workshop mit Dialogrunden.

Martin Buber, der jüdische Religionsphilosoph und „Vater“ des Dialogs (1878 – 1965) befasste sich in seiner Arbeit intensiv mit zwischenmenschlichen Beziehungen, den Möglichkeiten des Gesprächs, der Begegnung zwischen „Ich und Du“, wie eines seiner Buchtitel lautet. Er stellt den Ver-gegnungen oberflächlicher Unterhaltungen die Be-gegnung eines echten Dialogs gegenüber, in dem sich Menschen vom „Scheinenwollen“ frei machen, denn echte Begegnung geschieht, wenn man frei vom „Scheinenwollen“ ist.

Kernideen

Festgefahrene Muster verlassen, gemeinsam die Möglichkeiten des Denkens erweitern, Platz für neues Denken und Fühlen schaffen, das sind die Kernideen des Dialogprozesses. Dabei unterstützen im Dialog folgende Fragen:

  • Wie können wir uns selbst und anderen besser zuhören?
  • Wie können wir eigene und fremde Meinungen besser verstehen?
  • Wie können wir unserem eigenen Denken, unseren Reaktionen, Verhaltensmustern und Vorurteilen auf die Spur kommen?
  • Wie können Gespräche zu kreativen Lösungen führen?
  • Ist es möglich, neue Wege des Denkens zu entwickeln?

Begleiter im Prozess
Eine Person begleitet die Runde, ohne Moderatorin oder Leiterin zu sein. Aufgabe ist es, Vertrauen in der Gruppe zu schaffen, Raum für Unterschiedlichkeiten, denn alles was gesagt wird darf sein. Es gibt kein richtig oder falsch.

Wie läuft eine Dialogrunde ab?

Die Teilnehmenden sitzen in einer Runde. In der Mitte findet sich ein Redestein und eine Klangschale. Will jemand sprechen, holt er sich von der Mitte den Stein, setzt sich wieder hin und spricht. Alle anderen üben sich im Zuhören im Sinne eines „miteinander Hörens“. Nach dem Beitrag wird der Stein wieder in die Mitte gelegt.

Möchte jemand eine Pause, um das Gesagte nachklingen zu lassen, schlägt er die Klangschale. Die Pause dauert an, bis der Ton verklungen ist. Beide Hilfsmittel dienen der Verlangsamung des Prozesses.

Haltung im Prozess

Gertraud Neumann-Ilsen schlägt vor, folgendes auszuprobieren, um während des Prozesses in einer offenen, wertschätzenden Haltung zu bleiben und sich selbst liebevoll zu beobachten:

  • Höre zu.
  • Sprich von Herzen und fasse dich kurz.
  • Sprich aus dem Moment heraus und überlege dir nicht bereits vorher, was du sagen willst.
  • Mit Neugierde, nicht mit Kritik zuhören.
  • Beobachte dich selbst:
    • Wie entstehen Bewertungen?
    • Wie entstehen Urteile?
    • Was bringt dich ins Schwingen?
    • Wo spürst du Widerstand?

Generell gilt: Die Beiträge der Teilnehmenden bauen, anders, wie wir es in unserer Gesprächskultur gewohnt sind, nicht (zwangsläufig) aufeinander auf.

David Bohm wurde 1917 geboren und wuchs als Sohn eines Holzhändlers im jüdischen Viertel der Minenstadt Wilkes-Barre in Pennsylvania auf. Bohm unterscheidet zwischen Gesprächen, in denen lediglich Gedachtes ausgetauscht wird  und Dialogen, in denen tatsächlich neues Denken entstehen kann („Thought“ and „Thinking“).

Zwei Arten von Dialogrunden

Themenbezogen

Hier wird zu Beginn ein bestimmtes Thema festgelegt. Themenbezogene Dialogrunden werden eingesetzt z.B. bei Konflikten oder zur Lösung von Problemen.

Generativ (aus dem Lateinischen: generare = generieren = etwas erzeugen)
Hier ist das Thema völlig offen. Das heißt jeder spricht zu seinem Wunschthema oder was ihn gerade bewegt.

5 zentrale Kernfähigkeiten
Für die Entwicklung dialogischer Intelligenz bedarf es Fähigkeiten. Johannes F. & Martina Hatkemeyer sprechen im Buch „Die Kunst des Dialogs“ von zehn Kernfähigkeit. Die ersten fünf davon sind zentral:

 Lernende Haltung

Grundlage für den Dialog ist eine innere offene Haltung von Interesse und Neugierde. „Was hat der andere zu bieten?“. Eine lernende Haltung, die von dem Bewusstsein des eigenen Nicht-Wissens getragen wird.

Radikaler Respekt

Radikaler Respekt bedeutet hier, die andere Person, im Sinne eines tiefen Verständnisses, bis zur Wurzel zu respektieren. Das kann gelingen, wenn wir uns bewusst machen, dass jeder ein Mensch ist und wir als Baby alle gleich auf die Welt kamen. Wir sind durch das, was wir erlebt haben, geworden, wer wir jetzt sind.

Von Herzen sprechen

„Ihr werdet´s nicht zum Herzen schaffen, wenn´s euch nicht von Herzen geht.“ schrieb Goethe in Faust I. Im Dialog zu sprechen bedeutet, von dem zu reden, was mir wirklich wichtig ist, was mich wesentlich angeht und was ich wirklich sagen möchte. Das tue ich in verständlichen Worten und ich fasse mich kurz.

Generatives Zuhören

Hören wir jemandem wirklich mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu? Innerlich sind wir sehr schnell in der Wertung. Konzentriertes und offenes Zuhören in einer Gruppe kann dazu führen, etwas zuvor Unsichtbares sichtbar zu machen, etwas Neues entstehen zu lassen, zu generieren.

Suspendieren

Hier geht es darum eigene Meinungen, Vorannahmen und Bewertungen bewusst zu machen und davon innerlich einen Schritt zurückzutreten und sie zu parken. Sie zu betrachten, ohne sich selbst zu bewerten. Sie werden suspendiert.

Der Dialogprozess ist für mich eine wertvolle, die GFK ergänzende, Methode. Durch die „Regeln“ erlebte ich eine Qualität von echtem Zuhören, bei dem es in einer Gruppe mit 14 Teilnehmenden zu echten Be-gegnungen kam.

Literaturtipp

Martina, Johannes F. und Tobias Hartkemeyer:
Dialogische Intelligenz, 25.11.2015, Info 3 Verlag